Jaroslaw der Weise (1941)

Nicht nur einmal widmet sich Nikolaj Roerich dem Bild des Kiewer Großfürsten Jaroslaw Wladimirowitsch, der im Volk als weiser Mann galt. Er erinnert an den Landesführer in seiner Ansprache anlässlich der Zusammenkunft der Bibliothekare in New York im Jahr 1930, indem er die Worte des Fürsten dahingehend zitiert: „Bücher sind Flüsse, die die Gnade des gesamten Universums füllen.“ Im Jahr 1940 träumt Nikolaj Roerich von der Inszenierung eines historischen Films über Jaroslaw den Weisen: „Ein Film müsste ihm gewidmet werden“ (Roerich N.K. Treffen // Roerich N.K. Aus dem literarischen Erbe, S. 195)
Im Artikel „Kiew“ schreibt er mit den Argumenten eines Wissenschaftlers und Archäologen über den ursprünglichen Glanz der alten Stadt und die Weisheit seines Herrschers Jaroslaw. Nur ein vernünftiger Führer, der die Bedeutung von Kunst und ihre Wirkung auf das Bewusstsein eines Volkes erkennt, konnte, so der Künstler, eine solch wunderbare Stadt schaffen und sie mit eindrucksvollen Denkmäler schmücken: die Goldenen Tore, die Kathedrale der Heiligen Sofija, die Klöster des Heiligen Georgius und der Heiligen Irina.
Roerichs Gemälde „Jaroslaw der Weise“, das dieses Sujet in eigentümlicher Art darstellt, zeigt den Fürsten von Kiew beim Erstellen einer Schriftrolle in einem Gemach. Daneben liegt ein offenes Buch. Im Erkerbogen, im goldenen Strahl der aufgehenden Sonne sehen wir die weiße Sophienkathedrale mit ihren majestätischen Kuppeln. Die gold-violetten Landschaftsfarben finden sich in konzentrierter Form in der Kleidung und der Figur Jaroslaws wieder. „Kämpfer für das Schöne“ – Nikolaj Roerich sieht in Jaroslaw dem Weisen einen intelligenten Politiker mit Weitsicht und der Fähigkeit, das Schöne feinfühlig zu erfassen und es in das ihn umgebende Leben zu tragen. „Jaroslaws Begeisterung beim Anblick der faszinierenden Sofija ist die die Bewunderung eines kultivierten Menschen, der ein Denkmal spürt, das für viele Jahrhunderte von hohem Wert ist“, bemerkt der Künstler. (N. Roerich. Kiew)
Das im Jahre 1941, dem ersten Kriegsjahr Russlands, gemalte Bild lässt keinen Zweifel an Nikolaj Roerichs Vertrauen in den Sieg Russlands erkennen. Er orientiert vielmehr die aktuellen und zukünftigen Landesführer der westlichen und östlichen Welt auf das Beispiel der Politik des großen russischen Fürsten, die auf der Achtung von Wissen und Schönheit, Wissenschaft und Kunst basiert, wodurch zu allen Zeiten der Wohlstand eines Staates gewährleitet ist.