Das Taubenvogelbuch (1922)

Das Taubenvogelbuch wird als legendär bezeichnet. Allerdings hat noch kein Wissenschaftler das „Taubenvogelbuch“ selbst gesehen. Bis in unsere Tage sind lediglich einzelne spirituelle Gedichte vorgedrungen, die von der Zeit und den Volkserzählern stark „redaktionell bearbeitet“ wurden. Trotzdem nennen einige Forscher das “Taubenvogelbuch“ heilig, in der Annahme, dass in ihm das sakrale Wissen des russischen Volkes enthalten ist. Deshalb wird das Buch auch so hartnäckig gesucht, konnte jedoch bislang nicht gefunden werden.
Das spirituelle Gedicht über das „Taubenvogelbuch“ hatte Nikolaj Roerich seinerzeit so berührt, dass er im Jahre 1922 ein gleichnamiges Bild gemalt hat. Auf dem Bild ist ein riesiges Buch dargestellt, das vom Himmel gefallen war. In ihm ist die ganze Weisheit der Welt eingeschlossen. Später schrieb Roerich in seinen Arbeiten: „Die Menschen lassen sich mit Bestimmtheit in zwei Kategorien aufteilen: die Einen können sich an der Himmlischen Architektur erfreuen, für die Anderen ist sie nichtssagend, weil ihre Herzen stumm bleiben. Kinder hingegen können sich über Wolken freuen, und dies entfaltet ihre Fantasie. Und die Fantasie ist lediglich das Ergebnis ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Und jedem Menschen ist von Geburt an ein in seiner Schönheit unbeschreibliches Himmlisches Buch bestimmt“.
Eigentlich ist das „Taubenvogelbuch“ ein Verzeichnis mit Fragen und Antworten über den Aufbau des Kosmos, der Natur, der Hierarchie der Dinge in der Welt, der Begriffe von Gut und Böse.
Im spirituellen Gedicht wird über das „Taubenvogelbuch“ gesagt: nach seinem Herabfallen auf die Erde scharten sich um das Buch vierzig Zaren, vierzig Könige, vierzig Pfaffen, vierzig Diakone – kurzum viel Volk. Sie lasen drei Jahre in diesem Buch, schafften aber nur drei Seiten davon durchzulesen.
Es wird vermutet, dass das Buch ursprünglich nicht „Taubenvogel-“, sondern „Tiefgründiges“ Buch genannt wurde, wegen der Tiefe des in ihm konzentrierten kosmogonischen Wissens. Wird doch im Buch die ganze Schöpfung der Welt beschrieben: von der Entstehung des Universums und der Sterne bis zur Hierarchie der Dinge auf der Erde. Dort konnte man erkennen, welcher aller Fische der Höchste ist, welcher aller Steine der Höchste ist, welcher aller Bäume der Höchste ist, welcher aller Zaren der Höchste ist, welcher aller Götter der Höchste ist. Das Wichtigste jedoch ist, dass man aus dem „Tiefgründigen Buch“ die bestimmenden philosophischen Begriffe schöpfen konnte: von Gut und Böse, vom Kampf der Wahrheit mit der Lüge. Mit der Ankunft des Christentums wurde der Titel auf „Taubenvogelbuch“ geändert, da gerade die Taube Trägerin des Heiligen Geistes und des sakralen Wissens war.